Veröffentlicht am in Für Teams

Skalierung steuern: Wie man Produktteams erfolgreich durch Wachstumsphasen führt

Von Anastasia Uglova

Marketing

Lesezeit 7 min

Bei Notion verbringen wir viel Zeit damit, über Informationen nachzudenken: Wer hat sie, wer braucht sie und wie sollte sich bei zunehmender Komplexität der Informationsfluss gestalten – insbesondere, wenn Unternehmen wachsen?

Wir haben uns kürzlich mit unseren Kolleg/-innen von FullStory zusammengesetzt, um den Wissenstransfer aus Sicht von zwei Skalierungsprofis zu betrachten: Agata Bugaj, SVP of Product bei FullStory, und Madhu Muthukumar, ehemaliger Chief Product Officer von Notion.

FullStory ist eine Analyseplattform für digitale Erlebnisse, deren Belegschaft seit Oktober 2018, als Agata zum Unternehmen kam, von 100 auf 600 Mitarbeitende angewachsen ist. Notion hat eine ähnliche Entwicklung durchgemacht. Entsprechend ähneln unsere Erkenntnisse denen, die Agata gewonnen hat.

Wie also können schnell wachsende Unternehmen die Energie ihres rasanten Wachstums nutzen? Indem sie Komplexität in Dynamik verwandeln. Agatas Lösungsansatz: Tritt einen Schritt zurück, um dir einen Überblick zu verschaffen, suche nach Mustern, investiere den erforderlichen Aufwand und versuche nicht, ein mitarbeiterbezogenes Problem mit einem Tool zu lösen.

Tritt einen Schritt zurück, um das Gesamtbild zu erfassen

Wachstum setzt sozusagen per Definition Veränderungen voraus. Unternehmen können nicht in größerem Maßstab operieren ohne umwälzende und oftmals schmerzvolle Entwicklungen zu durchlaufen, um die neu entstehende Komplexität zu bewältigen.

Baukran in Aktion

Führungskräfte, die ihre Produktteams durch Wachstumsphasen führen, müssen sich die Zeit nehmen, um im Arbeitsalltag einen Schritt zurückzutreten und regelmäßig das Gesamtbild zu betrachten. Sind die alten Gewohnheiten für die Teams immer noch von Nutzen oder schaden sie eher? Funktionieren alle Systeme noch wie erwartet? Höchstwahrscheinlich nicht, denn auch ein gut gepflegtes Fahrzeug muss irgendwann zur Inspektion – vor allem dann, wenn es schnell fährt.

Ohne sich diesen Abstand zu den täglichen Abläufen zu verschaffen, kann es leicht passieren, dass die entsprechenden Anzeichen übersehen werden, bis es zu spät ist. Für viele Führungskräfte bedeutet „einen Schritt zurücktreten“, sich bewusst aus der eigentlichen Arbeit herauszuziehen und stattdessen Kontext zu beschaffen, Fragen zu stellen und Zusammenhänge herzustellen. Oder, wie Agata anmerkt, zu prüfen, ob es überhaupt Aspekte gibt, die man miteinander in Zusammenhang bringen kann.

„Wenn sich fortwährend Veränderungen vollziehen, stellt sich die Frage, ob noch alles rund läuft oder ob sich etwas an der Art und Weise ändern sollte, wie wir kommunizieren, wie wir uns besprechen und zusammenarbeiten und wer dabei sein muss, wenn eine Entscheidung getroffen wird“, so Agata.

Es ließe sich argumentieren, dass sich nicht unbedingt der Kontext geändert hat, sondern lediglich, wem der Kontext vorliegt und welche Aspekte betroffen sind.

Agata Bugaj

SVP of Product, FullStory

Niemand mag Veränderungen. Sie sind schwierig und unbequem und halten uns auf. Warum genau das aufgeben, was ursprünglich den Erfolg des Unternehmens ermöglicht hat?

Leitenden von Produktteams mag der Wechsel von der konkreten Arbeit zur Analyse ähnlich vorkommen wie die Verbannung auf die Ersatzbank: Die Arbeit im Produktteam ist ein Kontaktsport, die Entwicklung und Lieferung des Produkts ist das, wofür das Team die ganze Saison trainiert hat. Und wenn die Führungskraft nun einen Schritt zurücktreten soll, beobachtet sie das Spiel quasi nur noch von der Seitenlinie aus.

Doch diese Veränderung der Denkweise – vom Fokus auf die eigentliche Arbeit hin zur Priorisierung von Prozessen, zum Change Management und zur Einbeziehung der Mitarbeitenden – ist entscheidend, um im großen Maßstab erfolgreich zu sein. Madhu formuliert es so:

Es gibt Leute, die spielen Klavier, und Leute, die transportieren Klaviere. Das sind zwei verschiedene Aufgaben. Und in der Anfangsphase braucht man viele Leute, die Klavier spielen.

Madhu Muthukumar

Ehemals Chief Product Officer, Notion

Madhu weiter: „Du brauchst Leute, die in der Lage sind, unabhängig vom Umfeld hochwertige Arbeitsergebnisse zu liefern. Und wenn das Unternehmen dann wächst, besteht die wichtigste Aufgabe plötzlich darin, Klaviere zu transportieren.“

Achte auf Störungsmuster

Veränderungen lassen sich nicht im Voraus planen und entsprechende Versuche scheitern meist. Wie können Teams wissen, wann es an der Zeit ist, anstelle der Pianisten die Möbelpacker zu bestellen, ehe der Bedarf offensichtlich wird? Wachstumsexpert/-innen antizipieren den richtigen Moment für die Einführung von Veränderungen, indem sie nach Mustern suchen, die darauf hindeuten, dass es an der Zeit ist.

Karte mit einer gestrichelten Linie, die zu einem X führt

Muster werden normalerweise durch wiederholt auftretende Probleme erkennbar: Es kommt häufiger zu Fehlkommunikation, Teams erleiden Rückschläge, weil Informationen fehlen, Mitarbeitende verlieren in ungeklärten Situationen Zeit, weil ihnen der richtige Kontext fehlt, um handeln zu können. Störungen und Pannen führen zu Verwirrung und Konflikten. Doch erfahrene Führungskräfte nutzen diese organisatorischen Probleme, um das Verantwortungsbewusstsein ihrer Mitarbeitenden zu stärken – und sie dazu zu bewegen, neue Gewohnheiten anzunehmen.

Wenn du einen neuen Prozess einführen möchtest, muss es hinreichend Anzeichen dafür geben, dass eine Änderung erforderlich ist.

Agata Bugaj

SVP of Product, FullStory

Außerdem kommt es darauf an, die richtige Balance zu finden. Agata hierzu: „Ein Prozess sollte nicht zu früh geändert werden. Sonst wird es sehr schwer, sich die Unterstützung der Beteiligten zu sichern und sie dazu zu bewegen, den Prozess einzuhalten. Achte außerdem darauf, dass der Prozess nicht zu sehr ausufert, da die Mitarbeitenden ihm sonst nicht mehr folgen. Wenn die Liste der zu beachtenden Punkte zu lang wird, werden sie gar nicht erst zur Kenntnis genommen. Du musst also unbedingt auf die erwähnten Anzeichen achten, um zu erkennen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist.“

Investiere den mit Veränderungen einhergehenden Aufwand

Nachdem Führungskräfte die Muster erkannt haben, besteht laut Agata der nächste Schritt darin, diese Muster zu benennen. Denn „wenn du sie benennst, versetzt dich dies in die Lage, die Probleme zu beheben“. Zu den betreffenden organisatorischen Problemen gehören beispielsweise isoliert vorliegendes Wissen, das Fehlen einer zentralen Stelle zur Verfolgung des Fortschritts oder bidirektionaler Informationsfluss trotz eines komplex strukturierten Organigramms.

Eine Illustration einer Kette

Aber jetzt kommt der noch schwierigere Teil. Bevor du dich voreilig für eine Lösung entscheidest, solltest du sicherstellen, dass alle anderen im Unternehmen die von der Unternehmensleitung erkannten Probleme ebenso als solche wahrnehmen und anerkennen. Veränderungen einzuführen, ist oft beschwerlicher, als auf der Stelle zu treten und unter dem Wachstumsdruck einzuknicken. Damit Mitarbeitende Veränderungen akzeptieren, müssen sie zunächst einsehen, dass es ein Problem gibt, das behoben werden sollte.

Die Einführung von Veränderungen kann sich überraschend schwierig gestalten – insbesondere für Unternehmen, die noch ganz am Anfang stehen. Das liegt daran, dass es in kleinen Teams viel mehr Gründer/-innen im Verhältnis zu Manager/-innen gibt. Ihnen geht es darum, etwas zu schaffen, anstatt sich in Bürokratie zu verlieren. Aber Ad-hoc-Arbeit lässt sich nicht skalieren. Ab einem bestimmten Punkt im Wachstumsprozess eines jeden Unternehmens müssen daher Improvisation und glückliche Fügungen Planbarkeit und Konsistenz weichen.

Ein Team, das bislang nicht viel mit Prozessen zu tun hatte, davon zu überzeugen, Veränderungen nicht nur hinzunehmen, sondern vielmehr zu begrüßen, kann für Unternehmen in der Anfangsphase ihrer Expansion erfolgsentscheidend sein. Deshalb betrachtet Agata diese Veränderung als Aufwand, der im Rahmen der Geschäftstätigkeit eines erfolgreichen Unternehmens unweigerlich anfällt.

Der Übergang von 5 zu 25 ist schwieriger als der von 300 zu 500. Denn ist man erst einmal bei 300 Mitarbeitenden angelangt, hat der Zeitaufwand bereits ein bestimmtes Niveau erreicht – für Prozesse, Kommunikation, Meetings und die Einbeziehung aller Beteiligten.

Agata Bugaj

SVP of Product, FullStory

Agata weiter: „Dies muss sich mit fortschreitender Skalierung stetig ändern, aber der Aufwand fällt bereits an. Doch mit nur fünf Mitarbeitenden ist das nicht der Fall. Insbesondere wenn du persönlich vor Ort bist, kannst du einfach fragen: „Hey Tom, können wir diese Woche liefern?" – "Ja, cool, legen wir los.“ Aber mit 25 Mitarbeitenden ist das schon nicht mehr möglich und du musst dann einen gewissen Aufwand betreiben.“

Menschen vor Prozessen und Prozesse vor Technologie

Beim Skalieren ist es hilfreich, potenzielle Lösungen nach Personen, Prozessen und Technologie zu kategorisieren. Und Unternehmen in dieser Phase kommen oft voreilig zu dem Schluss, dieser Aufwand könnte nur durch Investitionen in neue Technologie bewältigt werden.

Die Annahme, dass Tools die Ursache des Problems sind und dass die Einführung neuer Technologie Abhilfe schaffen wird, mag naheliegend erscheinen. Tatsache ist, dass Technologie nicht nur die kostspieligste Lösung ist, sondern oft auch über das Ziel hinausschießt, vor allem dann, wenn die Unternehmen es versäumen, den neuen Prozess vorher zu testen. Und natürlich kommen die Menschen vor Prozessen. Bevor Produktverantwortliche einen neuen Prozess einführen, den ihr Team möglicherweise nicht braucht, sollten sie ihn zunächst mit den Mitarbeitenden erproben.

Du könntest es dir leicht machen und dir einreden, dass sich mit einem Tool all deine Probleme lösen ließen. Doch du musst bei den Menschen ansetzen.

Agata Bugaj

SVP of Product, FullStory

Agata stellt dazu zunächst die folgenden Überlegungen an: „Sind die Rollen klar definiert? Dann geht es daran, zu ermitteln, ob eine Prozessänderung ansteht. Und dann erst kommen die Tools in Spiel. Denn ein Toolwechsel ist teuer.“

Tatsächlich war es genau die Orientierung an diesem Framework für Menschen, Prozesse und Technologien, die FullStory dazu bewogen hat, sich für Notion zu entscheiden. Agatas Team versuchte, die Mitarbeitenden in Bezug auf das gemeinsame Problem abzustimmen, um so sicherzustellen, dass die internen Prozesse auch durch die Mitarbeitenden getragen werden. Anschließend testete es das Tool in einer kleinen Gruppe, um seine Annahmen zu validieren.

Illustration eines Händedrucks

Agata dazu: „Wir haben unsere Roadmap vor Kurzem auf Notion umgestellt. Aber das ist nicht einfach über Nacht geschehen. Wir haben dafür zwei bis drei Monate gebraucht. Unser Product-Ops-Team hat hervorragende Arbeit geleistet, indem es die Probleme gründlich erfasst und ermittelt hat, welche Probleme wir mit dem, was wir derzeit haben, lösen können und welche nicht, um dann mit einer kleinen Gruppe Tests durchzuführen.“

Die Gruppe erstellte ein MVP. Dann wandte sie Zeit auf, „um durch Iterationen herauszufinden, wie der Prozess und die Tools letztendlich aussehen sollten“. Doch Agata gibt zu bedenken: „Du brauchst zunächst entsprechende Anhaltspunkte, um alles auf Herz und Nieren zu prüfen und zu erkennen, dass eine Verbesserung eintritt. Und du musst dann mit gutem Beispiel vorangehen und andere mitreißen, sodass sie dir zustimmen und sagen: ‚Ja, das ist tatsächlich viel besser‘.“

Und das ist die wichtigste Erkenntnis für Produktverantwortliche, die eine Skalierung bewältigen müssen: Die Ergebnisse können variieren. Neue Tools sind nicht immer die richtige Lösung. Durch Prüfen und Beobachten lassen sich wichtige Anhaltspunkte für den Bedarf ermitteln, wobei die Menschen an erster Stelle stehen. Agata drückt es so aus: „Wenn sich Muster abzeichnen, bietet sich die Möglichkeit, etwas anders zu machen. Aber es gibt für diese Probleme keine Patentlösung. Du prüfst also ständig, ob die Lösung noch funktioniert.“

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